Die geheime Tragödie 1944. Untersuchung des Genozides in Haibach

Aus dem Bericht von General Botschkow, Leiter der NKWD Begleittruppen: „Genossen Lawrenti Beria berichte, dass… insgesamt wurden 180 Züge — je 65 Wagons, mit 493.269 umzusiedelnden Menschen abgesandt… Abfahrt der Züge in die Bestimmungsorte began am 23.2.1944 und war am 20. März erledigt…

Gründe der Sterblichkeit auf der Reise sind: Das hohe und frühe Alter der Umzusiedelnden, infolge wessen die notwendige Widerstandsfähigkeit ihres Organismus, den sich ändernden klimatischen und allgemeinen Umständen, fehlte „.

“Es gibt keinen Ort Haibach in Tschetscheno-Inguschischen ASSR“

Im Jahre 1944 wurden im Hochgebirgs-Aul Haibach 705 Menschen im Pferdestall lebendig verbrannt – alte Menschen, Frauen und Kinder von Haibach konnten nicht runter aus dem Ort in das Tal und gefährdeten dadurch die Pläne der Deportation. Darüber, was mit ihnen geschehen ist, erzählt der Leiter des Suchzentrums „Heldentat“ des Internationalen Bündnisses der Kriegsveteranen und Streitkräfte, der den Sonderausschuss für die Untersuchung des Genozids in Haibach 1990 anführte – Stepan Kaschurko.

Haibach

— Warum wurden gerade Sie damit betraut den Sonderausschuss zu leiten?

S.Kaschurko: Kurz vor dem 20. Jubiläum des Sieges wurde I.Konew zum Vorsitzenden des Zentralstabes der “Wanderung auf den Wegen des Krieges” ernannt. Ich war Kapitänleutnant der Kriegsmarine in Reserve, ein Journalist. Hielt mich für den Schüler Sergej Smirnows, Autor des berühmten Werkes “Brester Festung”. Konew brauchte einen solchen Helfer und er hat mich für die Suche der Kriegshelden genommen.

— In der UdSSR unterlag diese Tragödie der Geheimhaltung. Wie haben Sie darüber erfahren?

S.K: Die Spur beginnt in der Ukraine, in der Stadt Nowhorod-Siwerskyj. Während eines Hochwassers an der Desna Küste wurde der Leichnam eines Kavalleristen in der kaukasischen Burka zum Vorschein gebracht. Die Spione der 2ten kaukasischen Kavalleriegarde sind am 12. März 1943 umgekommen, im Hinterland des Feindes bei einer Geheimmission des Generals Rokossowski. Bei einem von ihnen wurden im wasserdichten Beutel Erkennungsmarke, Foto, Ausschnitte aus der Armeezeitung und ein Brief an die Mutter in Haibach gefunden. Diese Gegenstände gehörten dem Zugführer Beksultan Gazojew. Ich teile die Nachricht über den Helden in die Heimat. Die Antwort aus Grosny: “Es gibt keinen Ort Haibach in der Tschetscheno-Inguschischen ASSR”. Aber im Brief an die Mutter hat Gazojew als Adresse angegeben: Haibach, Galantschoschski Bezirk, Natschchojewski Amt. Ich bin nach Grosny geflogen.

“Zum Geier mit Haibach! – sagte zu mir Doku Zawgajew, Erster Sekretär des Regionalkomitee Grosny. – Gut, den gab es vor dem Krieg, seit dem Krieg nicht mehr“. Ich bestand darauf: Man muss die Verwandten des Helden finden. Er versuchte lange dem Gespräch aus dem Weg zu gehen, gestand schließlich: “Die Menschen sind bei der Deportation verbrannt worden”. Wieso das? Der Mensch hat für die Heimat sein Leben geopfert und seine Verwandten – verbrannt worden? “Nicht aufregen!  – versuchte Zawgajew mich zu beruhigen. – Es war Anordnung vom Stalin. Es ist verboten über diese Geschichte zu reden und zu schreiben.”

– Was haben Sie dann gemacht?

S.K: Ich bin nach Moskau zurückgekehrt um in den Archiven zu suchen. Unterlagen des Sonderausschusses des Zentralkomitees der KPdSU wurden beim Abteilungsleiter des ZKs aufbewahrt. Man musste sich an Gorbatschow wenden. Er erteilte die Erlaubnis. Ich bin zurück nach Grosny – Menschenmengen strömten ins Hotel. Baten mich nicht aufzugeben: “Auf den Händen tragen wir dich nach Haibach!” (Alle Wege in die Sperrzone waren gesprengt worden.) Vorsitzender des Tschetscheno-Inguschischen Ministerrats Sergej Bekow hat mir angeboten einen Sonderausschuss für die Untersuchung des Genozides in Haibach zu schaffen. Zum Vorsitzenden wurde ich gewählt.

– Was haben Sie in Haibach gesehen?

S.K: Die Stammfestung, verbrannte Säulen des Pferdestalls und alte Tschetschenen – die den zwei Tage langen Marsch auf sich genommen haben. Wir haben angefangen die Brandstätte zu untersuchen. Zu meinem Schrecken bin ich auf eine verbrannte Frau getreten und mit einem Bein ins Brustkorb eingebrochen. Jemand hat aufgeschrien, dass es seine Frau sei. Ich konnte mich nur mit viel Mühe aus diesem Fangeisen befreien. Augenzeuge der Verbrennung Dzijaudin Malsagow (ehemals Stellvertretender Volkskommissar der Justiz) hat den weinenden alten Menschen erzählt was er vor 46 Jahren, als er zu Hilfe der NKGB abkommandiert wurde, erlebt hat. Die Menschen erzählten über die verbrannten Kinder, Mütter, Frauen, Väter, Großväter…

– Der Anfang der Tragödie von 1944 ist bekannt – Menschen wurden in die Wagons geladen und nach Kasachstan verschickt.

S.K: Ja, aber der Einzelheiten wissen kaum welche. Teile der NKGB- und NKWD-Einheiten wurden in der Republik einquartiert unter dem Vorwand es seien Frontkämpfer die zur Erholung kommen. Am Morgen des 23. Februar kam das Funksignal „Panther“: Mit Deportation der ganzen Bevölkerung beginnen. Um sechs Uhr morgens fingen 150.000 Soldaten der NKGB, NKWD und “SCHMERSCH” in die Häuser der schlafenden Menschen einzubrechen (auf jeden Soldaten – drei Zivilisten). Auf Lastwagen wurden die Menschen zu den Eisenbahngleisen verfrachtet, von da aus in die Vieh- und Warenwagons geladen und in die Steppe Kirgisiens und Kasachstans gebracht, tausende Tote wurden auf den Bahnsteigen ohne zu begraben liegen gelassen. Um 11 Uhr morgens telegrafiert L.Beria an Stalin: “Die Aussiedlung ist normal. Es gibt keine beachtenswerte Vorfälle”. Am Abend hat Beria in Grosny ein großes Festmahl veranstaltet.

 Warum wurden die 705 Menschen nicht zusammen mit allen deportiert?

S.K: Am Vortag gab es ein Schneefall. Man konnte aus den Bergen Frauen mit Kindern, kranke und Alte Menschen nicht herunterbringen. Alle diese Menschen wurden nach Haibach gebracht und in den Pferdestall des Kolchoses getrieben, der nach L.Beria benannt war. Die Soldaten haben erklärt: Wenn ihr nicht erfrieren wollt – dämmt den Schuppen. Menschen haben mit Stroh und Heu die Wände und Boden abgedeckt. Der Vorgesetzte des Galantschoschski operativen Sektors hat den Erfolg dem die Operation befehligenden Kommissar der Staatssicherheit des 3. Ranges General-Major Gwischiani berichtet. Er wurde gefragt was mit den Kindern zu machen sei: “Sie bitten um Essen. Wir werden alle satt machen!” – hat der General geantwortet. Um 11 Uhr morgens gab es eine Funkverbindung mit Beria – und da hat sich alles entschieden. Die Brandstifter sind um den Pferdestall gerannt, Gwischiani befahl: “Feuer!” Die Maschinengewehre fingen an zu feuern… Bald fing Regen an, die Flamme wurden erloschen – alle Menschen waren tot…

– Haben Sie das alles in Haibach erfahren?

S.K: Ja. Außer Malsagow, gab es noch weitere Augenzeugen – Sie haben es vom weiten beobachtet und trauten sich nicht zurückzukehren. Sie erinnerten sich daran ihr lebenlang und glaubten nicht, dass die Verbrecher bestraft würden. Wir haben eine Akte der Untersuchung verfasst. Es wurde anerkannt: Die Vernichtung der Menschen in Haibach – ist Genozid, die Schuldigen sollen vor das Gericht. Die Tschetschenen baten Gwischiani zu ihnen zu bringen, damit er den Menschen in die Augen schauen kann. Ich habe versprochen die Bitte zu erfüllen.

– Sie wollten Herrn Gwischiani nach Haibach einladen?

S.K: Wir haben uns entschieden Ihn dahin zu entführen. Mit Hilfe von Swiad Gamsachurdia sind wir in ein prächtiges Haus angekommen. Aber das Schicksal hat den Henker von der Rechenschaft bewahrt – wir waren zu spät: von Lähmung zerstört ist er gestorben. Nach drei Tagen sind wir wieder zurück nach Haibach. Die Bergbewohner haben nur gesagt: “Dem Schakal des Schakals Tod”. Unter schlagenden Trommel haben wir an jener Stelle woher aus er befehligte: “Feuer!”, sein fast 2 m großes Porträt verbrannt.

– Was geschah weiter?

S.K: Nach einer Woche hat der Staatsanwalt des Urus-Martanowski Bezirkes Ruslan Cakajew die Strafsache Nr. 90610010 angelegt. Die Ermittlungen dauerten drei Jahre lang. Schließlich wurde die Ermittlung der Militärstaatsanwaltschaft des Grosny Garnisons übergeben, dann weiter nach Rostow am Don… Aber es wurde nie zu Ende gebracht, eine gerichtlich-rechtliche Einschätzung des schweren Verbrechens wurde nicht gegeben, die Verbrecher blieben unbekannt und unbestraft.

Olga Timofeewa
Quelle: www.1917.com
Übersetzung: Adam Muhammadi